Verschiedene Glaukom-Formen
Welche Glaukomformen gibt es?
Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Glaukomarten. Unterteilt wird das Glaukom nach der Ursache der Augeninnendruckerhöhung.
Meist ist eine Abflussbehinderung des Kammerwassers der Grund einer Augeninnendruckerhöhung. Warum es zu dieser Abflussbehinderung kommt, werden wir Ihnen anhanden der verschiedenen Glaukomformen veranschaulichen.
Wir unterscheiden zunächst das Offenwinkelglaukom vom Engwinkelglaukom. Wie Sie im Kapitel «Ursache» nachlesen können, fliesst das Kammerwasser über das Trabekelwerk und den Schlemm'schen Kanal aus dem Auge in den venösen Kreislauf. Ist der Zugang zu diesem Trabekelwerk durch einen engen Kammerwinkel verhindert (Regenbogenhaut legt sich auf die Hornhautrückfläche), spricht man von einem Engwinkelglaukom. Ist der Kammerwinkel hingegen offen, handelt es sich um ein Offenwinkelglaukom.
Beim Offenwinkelglaukom unterscheidet man eine primäre und eine sekundäre Form. Bei der primären Form liegt die Ursache der Abflussstörung des Kammerwassers im Trabekelwerk selber, während bei der sekundären Form eine Grunderkrankung zu einer Behinderung des Kammerwasserabflusses durch das Trabekelwerk führt.
Nun zu einer Übersicht der Einteilung:
1.
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Offenwinkelglaukom
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1.1.
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Primäres Offenwinkelglaukom (POWG)
- POWG mit erhöhtem Augeninnendruck
- POWG mit normalem Augeninnendruck («Normaldruck-Glaukom»)
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1.2.
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Sekundäres Offenwinkelglaukom
- Pigmentglaukom
- Kapselhäutchenglaukom
- Trauma-assoziiertes Glaukom
- Neovascularisationsglaukom
- Phakolytisches Glaukom
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2.
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Engwinkelglaukom
- Akuter Glaukomanfall
- Chronisches Engwinkelglaukom
- Kataraktogenes Engwinkelglaukom
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3.
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Glaukom beim Kind
Anmerkung: Wir werden hier nur auf häufig vorkommende Glaukomformen eingehen. Daher ist die obengenannte Liste der Glaukomformen nicht vollständig, und nicht alle aufgelisteten Glaukomformen werden später näher erläutert. Falls Sie Fragen zu einer hier nicht aufgeführten oder nicht erläuterten Form haben, so können Sie unter dem Kapitel «Anhang» dazu informierende Bücher finden.
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Wir wollen nun auf einige der oben genannten Glaukomarten eingehen.
1.1. Primäres Offenwinkelglaukom (POWG)
Beim primären Offenwinkelglaukom ist der Kammerwinkel «offen» und das Kammerwasser hat freien Zugang zum Trabekelwerk. Das Problem liegt am Trabekelwerkgewebe selber, welches seine Aufgaben, den Abfluss, nicht mehr erfüllen kann. Im Gegensatz zum sekundären Offenwinkelglaukom, bei dem es unter anderem zu Materialablagerungen im Trabekelwerk kommt, handelt es sich demzufolge hier um eine Erkrankung des Trabekelwerkes selbst. Hierbei müssen zwei Formen voneinander unterschieden werden: einerseits das primäre Offenwinkelglaukom mit erhöhtem Augeninnendruck und andererseits das primäre Offenwinkelglaukom ohne erhöhten Augeninnendruck: «Normaldruck-Glaukom».
POWG mit erhöhtem Augeninnendruck:
Dies ist die häufigste Glaukomform bei der weissen Bevölkerung. Sie tritt ab dem 40. Lebensjahr auf. Leider bemerkt der Patient erst viel zu spät, dass er an einem Glaukom leidet, da er in der Anfangsphase der Erkrankung keine Beschwerden aufweist. Der Augeninnendruck steigt langsam und der Patient verliert seine Sehkraft kontinierlich, ohne sich dessen bewusst zu sein. Die mit der Zeit auftretenden Schäden des Sehnervens sind leider irreversibel. Dies bedeutet, dass wir atuell trotz modernsten Mitteln nicht in der Lage sind, die durch das Glaukom bedingte Schäden des Sehnerven zu retabileren.
Wie schon erwähnt (siehe «Ursache»), besteht im Kammerwinkel (Winkel zwischen Hornhaut und Iris) eine Abflussstörung des Kammerwassers, welches zu einer Erhöhung des Augeninnendruckes führt und über nicht gänzlich geklärte Mechanismen zu einer Schädigung des Sehnervs führt.
POWG ohne erhöhtem Augeninnendruck («Normaldruck-Glaukom»)
Das Normaldruckglaukom, auch «Niederdruckglaukom» genannt, ist durch einen progressiven (fortschreitenden) Sehnervenschaden und eine Verschlechterung des Gesichtsfeldes bei noch normalem Augeninnendruck gekennzeichnet. Insbesondere in Japan kommt diese Form der Erkrankung gehäuft vor. In der weissen Bevölkerung zeigen über ein Drittel der Glaukompatienten einen normalen Augeninnendruck. Wie schon erwähnt, scheint eine Durchblutungsstörungen des Sehnerven in dieser Glaukomart eine entscheidende Rolle zu spielen. Wie es aber genau zu einer Schädigung am Sehnerven kommt, ist auch bei dieser Glaukomform noch ungeklärt.
1.2. Sekundäres Offenwinkelglaukom
Viele Augenerkrankungen, -verletzungen, -operationen und -behandlungen können zu einem erhöhten Augeninnendruck führen. Wir werden nun auf diese Glaukomformen zu sprechen kommen:
Das Pigmentglaukom ist eine Form des sekundären Offenwinkelglaukoms. Im Gegensatz zum primären Offenwinkelglaukom wird beim Pigmentglaukom das Trabekelwerk durch das frei gewordene Irispigment verstopft. Diese «Verstopfung» des Abflusssystemes führt zu einem erhöhten Augendruck.
Das Pigmentglaukom wird häufiger bei Männern als bei Frauen vorgefunden. Des weiteren sind Kurzsichtigen öfters betroffen. Das Pigmentglaukom kann schon ab dem 20. Lebensjahr angetroffen werden (am häufigsten zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr). Es stellt somit die frühst auftretende Glaukomform der Offenwinkelglaukome dar.
Warum leiden Kurzsichtige vermehrt am Pigmentglaukom?
Dies hat mit dem Aufbau eines kurzsichtigen Auges zu tun. Die Iris (Regenbogenhaut) ist bei Kurzsichtigen eher nach innen gewölbt (konkav). Dies führt zu einem ungewöhnlich weiten Kammerwinkel und zu einer Iris, welche an den Linsenaufhängeapparat reibt. Diese Reibung wiederum führt zu einer Abschabung des Pigmentepithels der Iris und zu einer Aussaat von Pigment in das Kammerwasser. Mit dem Kammerwasser wird das Pigment schliesslich ins Trabekelwerk transportiert, wo dieses das Ausflusssystem verstopft und somit zu einer Augeninnendruckerhöhung führt.
Diese Form des Glaukoms wird weltweit gefunden, gehäuft aber bei Europäern, besonders in Ungarn und in Nordeuropa.
Bei etwa 10% aller über 50-jährigen Schweizer, findet der Augenarzt eine Ablagerung eines weisslichen Materials auf der Linse (das sogenannte Kapselhäutchen). Dieses Material wird teilweise mit dem Kammerwasser ins Abfluss-System des Auges transportiert. Dort führt es mit der Zeit zu einer «Verstopfung» und somit auch zu einer Augeninnendruckerhöhung. Andererseits wird auch vermutet, dass bei dieser Erkrankung ein minderwertiger Halteapparat innerhalb der Struktur verschiedener Teilorgane vorhanden ist. Dies auch im Auge, und somit kann solch ein minderwertiger Halteapparat, einen zeitweisen Kollaps im Kammerwasser Abflusssystem verursachen, der ebenfalls Grund zu Druckerhöhung gibt.
Oft entwickelt sich diese Form des Glaukoms, aus noch ungeklärten Gründen, zuerst nur an einem Auge.
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Trauma-assoziiertes Glaukom
Eine schwere Augenverletzung, verursacht durch einen starken Schlag, eine Verbrennung oder Stichverletzung, kann ein Glaukom verursachen. Es ist somit wichtig, dass nach einer Augenverletzungen regelmässig und lebenslänglich Kontrollen beim Augenarzt durchgeführt werden. Dasselbe gilt bei schwere Augenoperationen.
2. Engwinkelglaukom
Diese Form des Glaukoms findet sich häufiger bei Weitsichtigen und Menschen asiatischer Abstammung. Sie treten auch gehäuft häufig innerhalb der gleichen Familie auf.
Bei Menschen mit einer Tendenz zum Engwinkelglaukom ist die Vorderkammer (Raum zwischen Hornhaut und Regenbogenhaut) flacher als im Durchschnitt. Wie oben erwähnt liegt das Trabekelwerk im Kammerwinkel, welcher bei den meisten Menschen etwa 45 Grad beträgt. Damit das Kammerwasser aus dem Auge gelangen kann, muss es in den Kammerwinkel und zum Trabekelwerk fliessen können. Je enger der Kammerwinkel ist, desto mehr «Mühe» hat die Flüssigkeit hindurch zu fliessen, und desto höher wird durch diesen Rückstau der Augendruck.
Hinzu kommt die Tatsache, dass mit dem Alter die Linse grösser, härter und trüber wird. Der Raum zwischen Iris und Linse wird enger und das Kammerwasser staut sich nun auch in der Hinterkammer an. Dies wölbt die Regenbogenhaut nach vorne, was zu einer zusätzlichen Verkleinerung des Kammerwinkels führt.
Wird der Winkel vollkommen verengt (die Iris überdeckt vollständig das Trabekelwerk) kommt es zu einer plötzlichen (akuten), starken Erhöhung des Augeninnendruckes: der akute Glaukomanfall (siehe unten).
Im Gegensatz zum Offenwinkelglaukom kommt es beim akuten Engwinkelglaukom zu einem schnellen (innerhalb von Stunden) Ansteigen des Druckes. Ein Glaukomanfall ist sehr schmerzhaft und führt durch den stark erhöhten inneren Augendruck zu Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen. Die Schmerzen können auch in andere Körperteile ausstrahlen (Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, u.s.w.). Zusätzlich wird das Auge rot, die Pupille verzieht sich und reagiert nicht mehr auf Licht und die Hornhaut schwillt an. Diese Horhautschwellung verursacht ein verschwommen sehen, oder führt zu Halos (farbigen Ringen) um Lichtquelle.
Bei einem akuten Glaukomanfall handelt es sich um eine absolute Notfallsituation. Falls das Auge nicht schnellst möglich behandelt wird, kann der Patient das Augenlicht endgültig verlieren. Auch kann es zu Veränderungen im Trabekelwerk und somit zur Ausbildung einer chronischen Augeninnendrucksteigerung und eines Glaukoms kommen. Des Weiteren kann sich nebst der Hornhaut auch die Linse bleibend eintrüben (Katarakt, grauer Star). Oder es droht eine Erblindung durch einen plötzlichen (Blutgefässe der Netzhaut werden durch den hohen Druck zusammengedrückt und das Blut kann nicht mehr in diesen fliessen). Es handelt es sich demzufolge hier um eine wirkliche Notfallsituation!
Viele von diesen Glaukom-«Attaken» geschehen im Halbdunkel, da sich die Pupille in solche Situationen vergrössert und die Linse sich nach vorne bewegt. Geschieht dies, verstärkt dies die Iris-Linsen Verengung und erhöht somit die Vorwölbung der Iris. Der Kammerwinkel wir noch mehr verengt – ein akuter Glaukomanfall entsteht.
Auch andere Gründe können zu einer Pupillenerweiterung führen: Zum Beispiel Angstsituationen, Stresssituationen oder gewisse Medikamente: wie etwa Antidepressiva, Grippemittel, Antihistaminika (Antiallergika) und Medikamente zur Behandlung des Schwindels.
Akute Glaukomattacken müssen nicht immer sehr ausgeprägt sein. Es kann auch zu mehrmaligen schwächeren Glaukomattacken kommt. Der Patient beobachtet in diesen Fällen eine kurzzeitige Sehvermögenseinbusse ohne Schmerz und Augenrötung, manchmal mit regenbogenartigen Lichtringen um Lampen und Lichter herum (Halos). Obwohl hier die Symptome mild erscheinen, wird der Sehnerv stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Patient kann mit der Zeit ein Engwinkelglaukom entwickeln.
Eine akute Glaukomattacke kann mit einer systemischen Behandlung kombinierten mit Augentropfen behandelt werden, wobei versucht wird die Pupille zu verengen und die Kammerwasserproduktion zu vermindern. Sobald der Augendruck auf einen akzeptablen Wert abgesunken ist, kann eine Laserbehandlung (Laseriridotomie: kleines Loch in der Regenbogenhaut) durchführen werden (siehe «Therapie»). Diese muss vorsorglicherweise meist auch am anderen Auge durchgeführt.
Ihr Augenarzt kann anhanden der Gonioskopie (siehe «Diagnose») den Augenwinkel beurteilen und das Risiko eines akuten Glaukoms abschätzen. Dies ermöglich Ihm eine Laseriridotomie frühzeitig druchzuführen, und somit ein akutes Glaukom zu verhindern.
3. Glaukom beim Kind
(angeborenes Glaukom: frühkindliches, kindliches und juveniles Glaukom)
Kinder, mit einer angeborenen Malformation des Kammerwinkels oder mir einer Reifungsstörung desselben, können in den ersten Lebenstagen, oder aber auch erst in den ersten Lebensjahren, ein Glaukom entwickeln. Je nachdem, in welchem Alter sich das Glaukom manifestiert, spricht man von einem «frühkindlichem Glaukom» (beim Neugeborenen), von einem «kindlichen Glaukom» (im Laufe der ersten Lebensjahre) oder von einem «juvenilen Glaukom» (bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen).
Wann besteht der Verdacht auf ein angeborenes Glaukom?
Die betroffenen Kinder können bestimme äusserer Merkmale aufweisen, wie z.B. grosse Augen oder eine trübe Hornhaut. Sie können Lichtscheu sein, reiben sich häufig die Augen und tränen übermässig. Bestehen solche Symptome sollte ein Augenarzt aufgesucht werden.
Die Untersuchung von Neugeborenen und Kleinkindern ist deutlich schwieriger als die der Erwachsenen. Daher müssen Kleinkinder, bei welchen ein Verdacht auf ein Glaukom besteht, oft für die Augenuntersuchung einer allgemeinen Narkose erhalten. Nur so kann der Augenarzt die Untersuchung gründlich und präzise durchführen.
Bei der Behandlung des angeborenen Glaukoms ist meist eine chirurgische Therapie angesagt. Falls der Eingriff frühzeitig durchgeführt wird, besteht eine gute Chance ein gutes Sehvermögen zu erhalten.
Texte: Dr. med. P.W. Hasler und Prof. Dr. S. Orgül, in Zusammenarbeit mit: Dr. med. H. Vogten und Frau D. Haegeli
Abbildungen aus: «J. Flammer: Glaukom. 2. überarbeitete Auflage 2001. © Verlag Hans Huber Bern»